Genossinnen, Genossen, Arbeiter und Arbeiterinnen Brasiliens, Ausgebeutete und Unterdrückte in den Ghettos der Großstädte, Indigenas! Scheinbar von einem anderen Planeten erreichen euch an diesem Tage hoffentlich unsere solidarischen Grüße. Wir haben diesen Zeitpunkt gewählt, da der lange Arm des Imperialismus mit seinen Granaten und seinem Blei euch niederzustrecken sucht.Unsere Grüße bedeuten: Haltet aus! Bleibt tapfer! Auf der ganzen Welt gibt es solche, die euren Kampf mitfiebern und auf euren Mut und eure Kraft hoffen!
Um darauf aufmerksam zu machen, was der Weltcup bedeutet und der FIFA in den Rücken zu fallen, haben wir in Berlin in einer Kommando-Aktion die brasilianische Botschaft mit den einfachsten Waffen des Volkes angegriffen. Mit den selben Steinen, die eure Wehr gegen die Schock-Truppen sind, haben wir der brasilianischen Regierung die demokratische Fassade demoliert. Die Botschaft repräsentiert nun den Scherbenhaufen, den die Herrschenden an allen Orten hinterlassen, die sie heimsuchen.
Die Fußball-Weltmeisterschaft, die Mitte Juni bis Juli in Brasilien stattfinden soll, wird geschätzte 600.000 ausländische Touristen in das Land schwemmen. Sie sollen nach dem Willen der Mächtigen aus den reichen Ländern dieser Welt kommen, um sorglos zu konsumieren und das Image eines effizienten Staates mit nach Hause zu nehmen.
Die PR lügt einen Nutzen für die Bevölkerung herbei, um die Konflikte zu kaschieren und den Widerstand der Menschen gegen die permanenten Angriffe von Oben zu delegitimieren.
Die wichtigsten Bausteine der WM-Lüge sind:
-Aufschwung durch die Schaffung von Arbeitsplätzen
-Ausbau wichtiger Infrastruktur wie Nahverkehr und Gesundheitsversorgung
-Bekämpfung der organisierten Kriminalität durch Investitionen in den Sicherheitssektor
-Verbesserung des Images Brasiliens als Tourismus- und Wirtschaftsstandort
Sie haben uns Paläste gebaut
Der größte Teil der Investitionen anlässlich der WM fließt in den Bau von modernen und prunkvollen Stadien, die Hauptschauplatz der kommerziellen Sportveranstaltung werden sollen. Auf 11 Milliarden Euro werden die Gesamtausgaben geschätzt. Bei so viel Neubau ist natürlich der Bedarf an einfachen Arbeitskräften wie auch an Experten enorm. Die ansässigen Bauarbeiter und -arbeiterinnen arbeiten oft sieben Tage die Woche bis zur Erschöpfung unter Bedingungen, die lebensgefährlich sind. Zahlreiche von ihnen sind schon bei Unfällen ums Leben gekommen oder einfach am Herzinfarkt durch Überbelastung verstorben.
Die Vergütung für ihren Einsatz ist lächerlich angesichts des Wertes ihrer Arbeit für die Investoren. Sie werden aufs übelste ausgebeutet und sind pünktlich zur WM wieder Arbeitslos.
Im Dienstleistungssektor dürfte der Aufschwung ähnlich aussehen: nach der WM verschwinden die reichen Besucher wieder und hinterlassen einen riesig aufgeblasenen Kommerzbetrieb ohne weiteren Verwendungszweck.
Beispielhaft für diesen Unsinn ist der Austragungsort Manaus im Bundesstaat Amazonas. Für 243 Millionen Schweizer Franken entstand dort unter enormem Zeitdruck ein Stadion im Weltformat, welches nach der WM für die kleinen Regionalmannschaften völlig unbrauchbar ist. Die Baukosten, sowie die Unterhaltkosten von jährlich ca. 1 % der Baukosten trägt der Bundesstaat, da sich mangels Gewinnerwartung keine Investoren fanden. Die Stadt, die wegen der sozialen Probleme und ihrer berühmten attraktionslosigkeit kaum Tourismus kennt, bleibt auf den gesamten Kosten sitzen und ihre Einwohner und Einwohnerinnen verzichten daher wohl die nächsten Jahre auf nachhaltige Entwicklungen in sozialen Angelegenheiten.
Die Gewinne des kurzen Betriebs dagegen speisen sich nur aus Ticketverkauf und den Lizenzgebühren für die TV-Übertragung und gehen an die FIFA. Vom Bau selbst profitiert ein deutsches Unternehmen: Unsummen gehen an die Hamburger Stararchitekten des Büros Gerkan, Marg&Partner (GMP), die schon bei der WM in Südafrika zu den wenigen Gewinnern zählten. Marg gibt zu: “Ich bin ein Teil des Systems. Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert.”
In Solidarität mit der ausgebeuteten Bevölkerung Südafrikas und Brasiliens haben am 21.12.2013 unsere Genossen und Genossinnen in Hamburg in einer geplanten Aktion deshalb das Büro von GMP sowie das Wohnhaus von Gerkan angegriffen. Das Handeln von GMP ist verabescheungswürdig und muss beendet werden! GMP muss die Arbeiter und Arbeiterinnen entschädigen und für den Unterhalt der Paläste sorgen. Diese müssen an die Bevölkerung übergeben werden!
Ein weiteres Argument für den Aufschwung durch die WM besagt, dass längst überflüssige Erneuerungen und Fortschritte bei der Infrastruktur endlich vollzogen würden. Alles jedoch, was wir diesbezüglich aus Brasilien vernehmen, sind die immer lauter werdenden Rufe der Bevölkerung nach Schulen und Krankenhäusern statt Stadien. Die Herrschenden scheinen ziemlich kleinlaut geworden zu sein. Zu offensichtlich ist es, dass moderne Flughäfen oder U-Bahn-Linien wie im Barra de Tijuca nur für Reiche und für Touristen gebaut sind. Die meisten derartigen Investitionen sollen den Zweck erfüllen, einen oberflächlichen Eindruck eines schwungvollen Landes zu vermitteln, auf den nur die touristische Dummheit hereinfallen kann. Die einzigen tatsächlichen Fortschritte die die Bevölkerung betreffen sind, wie immer bei derartigen Propagandaereignissen, beim Ausbau der Überwachungs- und Repressionsmaschinerie zu beobachten.
Der Krieg gegen die Hütten
Nein, das Bündnis aus FIFA und brasilianischer Regierung hat definitiv nicht das Wohl der Menschen im Sinn. Die Fußball-WM und die 2016 stattfindenden olympischen Sommerspiele haben für das Land ein erneutes Kapitel in der Geschichte begonnen, das von grausamer Gewalt und Vertreibung erzählt. Was uns als Kampf gegen organisierte Kriminalität verkauft wird, ist in Wahrheit ein Krieg gegen die Armen Brasiliens. Er ist eine direkte Konsequenz der Ansprüche der FIFA und ihrer Sponsoren auf ihrer Suche nach neuen Märkten. Die Massen sollen mit Hilfe der stets korrupten Politik mit den billigen Verlockungen des Turbo-Kapitalismus in den Konsum- uind Einheitsrausch eingegliedert werden. Alle, die sich dem verweigern, sollen als Fortschritts- und Landesverräter dastehen. Fußball ist bei der FIFA und ihren Sponsoren kein Sport mehr, sondern nurnoch Mittel einen völkischen Taumel herzustellen, in dem die zwangsweise Eingliederung und Unterwerfung als fair wahrgenommen werden sollen.
Die Idee, sportliche Großereignisse als Waffe gegen Oppositionelle zu benutzen, ist nicht neu. Anlässlich des Gedenkens an den brasilianischen Militärputsch 1964, also vor genau 50 Jahren, müssen wir den Blick mindestens kurz auf die Vergangenheit lenken. Die Militärdiktatur existierte in einer Hochphase des weltweiten Angriffs gegen soziale und revolutionäre Bewegungen, die das Potential hatten, unter Umständen die Abschaffung der kapitalistischen Gesellschaftsform zu erreichen. Die Herrschenden benötigten planvolles Handeln, um den Gegenangriff von Unten zu unterbinden. Neben brutaler Gewalt, Folter und Mord nutzte die Junta die Fußballweltmeisterschaft 1970 in Mexico zur Selbstdarstellung nach Innen und Außen. Laut Amnesty International war bisher kein Fußballereignis so offen politisch ausgeschlachtet worde wie dieses. Die eigene WM-Hymne “Pra Frente Brasil” beschwor: “90 Millionen in Aktion, vorwärts Brasilien – alle vereint in derselben Emotion”. Dieser faschistische Geist war Produkt wirtschaftlicher Expansionsbestrebungen Europas und Nordamerikas und wurde von der deutschen Wirtschaft unverholen gefeiert. Der stellvertretende Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Bundestags, Gustav Stein drückte seine Freude über die “politisch stabile Lage” und die Abwesenheit von Arbeitskämpfen – beides Produkt der blutigen Innenpolitik – aus. Der Vorstandsvorsitzende von Volkswagen, Rudolf Leidig, wurde berühmt als er in rassistischer Manier der Kritik an der Zusammenarbeit mit dem Regime begegnete: “Der Brasilianer besitzt eine andere Mentalität als der Deutsche und Europäer. Er nennt eine glückliche Mentalität sein Eigen (…). Er ist nicht neidisch und mit seinem Los zufrieden.” Auch heute noch profitiert VW von dieser Phase der Geschichte und ist eines der wichtigsten deutschen Unternehmen in Brasilien.
Der DFB schickte zur WM 1970 passenderweiße, genau wie zur WM der argentinischen Militärdiktatur 1978, in seinem Stab zahlreiche ehemalige NSDAP-Mitglieder in gehobenen Positionen. Auch heute noch lebt dieser Geist im Profifußball weiter, wie das Beispiel des José Maria Marin zeigt. Der Präsident des Vorbereitungskomitees 2014 wird zu den Urhebern des Mordes am oppositionellen TV-Journalisten Wladimir Herzog gezählt, der 1975 im Folterknast der Militärs zu Tode kam.
Aktionen wie die Entführung des deutschen Botschafters in Brasilien im Juni 1970 und dessen Austausch gegen 40 politische Gefangene durch die Vanguarda Popular Revolucionária haben geholfen, der Wahrheit damals ans Licht zu verhelfen.
Die Massendemos und Aufstände, die letztes Jahr wegen den Fahrpreiserhöhungen begannen, sind nun eine große Hoffnung für alle, die die Strategie der Herrschenden erkannt haben. Sie haben geholfen, den Blick der Welt wieder auf den Krieg zu lenken, der derzeit in den Favelas gegen die Menschen geführt wird.
Seit 2008 wurden etwa zwei Drittel der 300 Favelas Rio de Janeiros von der “Befriedungspolizei” UPP besetzt. Die Besetzungen werden meist mit Hilfe des Militärs vorbereitet, indem die Truppen mit Panzern und den Sturmgewehren im Anschlag in die Gebiete eindringen. Es ist “normal”, dass sie dabei auf Flüchtende und auch Minderjährige schießen. Unzählige kommen und kamen so täglich ums Leben.
Nach dem militärischen Sturm kommt die UPP und das Gebiet gilt offiziell als befriedet. Warum die Bevölkerung aber lieber von militarisiert denn von befriedet spricht, zeigt ein “Vorfall”, der sich am 23.04. direkt in Copacabana ereignet hat. An diesem Tag wird Rafael Douglas da Silva, ein bekannter TV-Tänzer ermordet, als er gerade seine Familie nur wenige Straßen vom bekannten Strand entfernt besuchen will. Grundlos wird er totgeschlagen und dann liegen gelassen. Nachdem da Silvas Leiche gefunden wird und klar wird, dass Polizisten verantwortlich für den Mord sind, marschieren aufgebrachte Anwohner und Anwohnerinnen zu einer Polizeistation und greifen diese an. Die BOPE, die militärische Elitepolizei, reagiert mit aller Härte: Es wird berichtet, dass sie wahllos Jagd auf Menschen macht. Dabei kommen Schusswaffen aus Helikoptern zum Gebrauch sowie Tränengas. Einige Straßen werden daraufhin von Menschen verbarrikadiert. Als die BOPE zu einem Sturm ansetzt, wehren sich die fast unbewaffneten Menschen. Daraufhin wird Matheus (12 Jahre) von den Bullen ermordet, als sie sein Haus stürmen. Eine Frau, die für Human Rights arbeitet, berichtet per live-stream in Tränen: “This is hell. Police are killing anybody.” Nur wenige Minuten später stirbt Leo, auch ein Jugendlicher, durch einen Kopfschuss, als auch sein Wohnhaus gestürmt wird und er flüchten will. Derartige Attacken gehören in Brasilien seit Jahren zum Alltag.
Extrem gewalttätig sind auch die Räumungen ganzer Viertel, um Platz für die WM zu machen. Geschätzte 170.000 Menschen wurden nur zu diesem Zweck mit Gewalt vertrieben und ihres Obdaches beraubt.
Weil es zu nah am Stadion und einer Hauptstraße stand, wurde beispielsweise Anfang April ein Viertel Rios mit 5000 Menschen zwangsgeräumt. Dabei wurden sogar kleine Kinder verletzt und die Opfer des Truppeneinsatzes wehrten sich letztendlich in Straßenschlachten. Bis 31. Juli, also zwei Wochen nach dem Ende der WM ist das Gebiet jetzt militärisch besetzt.
Die PR-Abteilung der Regierung versucht nach wie vor die Kämpfe als letztes Aufbäumen der Drogenmafia darzustellen. Die Bevölkerung berichtet jedoch vielfach, dass Drogenbosse mit der Polizei kooperieren und teilweise deren Positionen nach der Militarisierung durch Bullen besetzt werden.
Nur für zwei große Sportevents sollen also hunderte oder gar tausende Menschen sterben, ganze Stadtteile dem Erdboden gleichgemacht werden? Wohl kaum. Die WM und die Proteste, die letztes Jahr ihren Anfang nahmen, sind eine Gelegenheit, oppositionelle Bewegungen durch neue Anti-Terrorgesetze zu kriminalisieren und Demonstrationen als Terrorakte zu bezeichnen. Sie sind eine Gelegenheit, die Verlierer des Kapitalismus aus der Stadt zu drängen und Platz zu machen für neue Wirtschaftszonen und Investoren. Die Herrschenden wollen das Image der Region polieren und Geldgeber in das Land locken, die die Bevölkerung ungehindert ausbeuten können.
Doch die Menschen geben nicht auf. Wir ermutigen die Bevölkerung Brasiliens, NEIN zu sagen zur Verlockung des Tourismus, der mit der WM kommt. Tourismus kann nicht nachhaltig sein. Tourismus bedeutet Abhängigkeit von der Finanzkraft fremder Mächte und des Staats.
Wir sagen NEIN zum kommerziellen Sport. Fußball steht auch für viel Gutes, aber die FIFA, ihre Sponsoren ADIDAS, Coca-Cola, Emirates, Hyundai-Kia, Sony, VISA, McDonalds & Co. sind erbärmlich. Sie zerstören die Idee der Verständigung und des Austausches. Unserer Solidarität stellen sie ein Blutbad entgegen.
Wir glauben daran, dass wir ein Siegesfest der Mächtigen verhindern können. Was für sie ein Desaster sein wird, wird unseren Kampf weiterbringen.
Als die Steine unsere Hand verließen und die Fassade der Autorität zerstörten, haben wir eine Beziehung zu den Kämpfen in den Favelas, zu den Aufständischen und den Anarchisten und Anarchistinnen geschaffen. Wir haben keine Angst vor Gefängniss und Demütigung. Wir gedenken statt dessen den 39 Menschen, die im April nach der Militärintervention in Salvador de Bahía, dem Ort wo die deutsche Mannschaft spielen wird, leblos liegen blieben.
NAO VAI TER COPA!
Es wird keinen Weltcup geben!
Es wird eine Revolte geben!
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