Olympia
Tod und Spiele!
Chronik aktuell

Nach der Abwahl der Bewerbung München 2022 um Olympische Winterspiele am 10.11.2013 macht der DOSB gleich das nächste Fass auf: Olympische Sommerspiele 2024. Zwei Kandidaten werden in den Ring getrieben: Hamburg und Berlin. Das olympische Rat Race geht also weiter, inszeniert vom DOSB, allen möglichen Interessenten, Lobbyisten, Geschäftemachern und Politikern. Deshalb verfolgt diese kleine Chronologie das Geschehen aufmerksam.
Sie wird laufend aktualisiert.
Vergleiche auch: www.nolympia-hamburg.de und www.nolympia-berlin.de
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Zur Erinnerung I:
Bewerbung Berlin um Olympische Sommerspiele 2000 – die Aussage eines IOC-Mitgliedes: “Berlin ist ein erbärmliches Schlusslicht” – “Berlin schied mit nur neun Stimmen bereits in der Vorrunde aus” (Auch Sportbund will das Volk zu Olympia befragen, in rbb-online.de 19.6.2014).

Zur Erinnerung II:
Verschuldung Berlin am 30.6.2013: 59,830 Milliarden Euro
Verschuldung Hamburg 30.6.2013: 24,913 Milliarden Euro
(Quelle: www.destatis.de)

Terminplanung:
31.8.2014: Abgabe des ausgefüllten DOSB-Fragebogens
6. 12.2014: Die DOSB-Mitgliederversammlung entscheidet über Hamburg oder Berlin
Herbst 2015: Bewerbung beim IOC
Frühjahr 2016: Abgabe Mini-Bidbook
Herbst 2017: IOC wählt Austragungsort 2024
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November 2013:
– Milchbubenrechnung. “Der Sportökonom Holger Preuß von der Uni Mainz ist sich sicher, dass der volkswirtschaftliche Nutzen von Sommerspielen in Berlin noch größer wäre als die von ihm errechneten 1,7 bis 3,4 Milliarden Euro für Winterspiele in München – unterm Strich, also nach Abzug der Kosten. Weil die gesamte Republik profitieren würde, sieht der Ökonom zudem ein gutes Argument, ‘Bundesmittel anzuzapfen’” (Loy, Thomas, Hin und Her um die Bewerbung, in tagesspiegel.de 13.11.2013).
Herr Preuss ist für solche Rechnungen inzwischen hinlänglich bekannt.
Vergleiche auch: Kosten Olympischer Spiele

Dezember 2013:
– Berliner olympisches Fast-Patt. Auf ein Neues: 1993 scheiterte eine Berlin-Bewerbung für 2000 kläglich. Nun gibt es nach der vierfachen Niederlage München 2022 sofort wieder Überlegungen für Olympische Sommerspiele in Berlin 2024. Eine Forsa-Umfrage erbrachte 52 Prozent Befürworter und 44 Prozent Gegner. 2011 waren es noch 57 Prozent Befürworter (Rogalla, Thomas, Ja zu Olympia, Nein zu Wowereit, in berliner-zeitung.de 4.12.2013).
Kommentar von Jan Thomsen: “Eigentlich sind die Spiele schon verloren. (…) Doch eine mögliche Bewerbung muss bereits 2015 im Briefkasten des IOC liegen… Die Zeit für eine überzeugende Berliner Bewerbung für 2024 ist viel zu knapp. Schon deshalb, weil Münchens Pleite einen Standard gesetzt hat. Die Bewerbung ist ja an Volksentscheiden gescheitert. Ohne ein solches Votum im Vornhinein wird es nicht mehr gehen – schon gar nicht in Berlin, das bekanntlich 1993 beim IOC nach einer missglückten Kampagne kläglich scheiterte” (Kein Rückhalt für Olympia, in berliner-zeitung.de 4.12.2013).

Januar 2014:
– Hamburg wird in Bewerbung 2024 hineingetrieben. Die Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern war die treibende Kraft bei der Bewerbung Olympische Winterspiele 2022 in München. Fazit: viermalige Abwahl am 10.11.2013. Nun wird die Handelskammer Hamburg aktiv. Deren “Präses” Fritz Horst Melsheimer forderte bei der Jahresschlussansprache den Hamburger Ersten Bürgermeister Olaf Scholz auf, eine Olympia-Bewerbung Hamburgs zu unterstützen. Angeblich seien 57 Prozent der Bevölkerung dafür und nur 37 Prozent dagegen – das ergab eine Emnid-Befragung im Auftrag eben jener Handelskammer Hamburg (Präses Melsheimer beim “Ehrbaren Kaufmann”: “Herr Bürgermeister, packen Sie Olympia an!”, hk24.de 31.12.2013). Melsheimer griff übrigens gleichzeitig noch die “direkte Demokratie” mitsamt dem Verbandsklagerecht an: “Umweltschutzverbände vertreten Partikularinteressen, und durch das Verbandsklagerecht werden diese Interessen einseitig bevorteilt” (Ebenda). Sofort sprangen ihm Kommentatoren und Politiker begeistert zur Seite. “Und obwohl die olympische Idee aktuell eine ihrer größten Krisen erlebt, gilt: jetzt erst recht. (…) Was Barcelona, Sydney und Rio können, das kann die Region Hamburg allemal” (Lorenz, Markus, Olympia wagen, in shz.de 2.1.2014). – “Die öffentliche Kampagne der Handelskammer bleibt dennoch verständlich, sind Olympische Spiele immer auch ein Konjunkturprogramm für die Region” (Grünberg, Rainer, Ein Zeichen setzen für Olympia, in abendblatt.de 2.1.2014). “Bereits heute genügen viele Hamburger Sportstätten in ihrer Grundstruktur olympischen Ansprüchen” (Grünberg, Rainer, Sommerspiele in Hamburg, in abendblatt.de 4.1.2014).
Das so altbekannte wie falsche Argument – “Alles da” traf schon für München 2022 in keiner Weise zu und würde auch für Hamburg 2024 nicht stimmen.
Schleswig-Holsteins Verkehrs- und Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD): “Eine solche Bewerbung würde mithilfe des Bundes dazu führen, die Infrastruktur im Norden innerhalb weniger Jahre fit zu machen” (Ebenda) und schwärmte sogleich vom Ausbau der A7, der westlichen A-20-Elbquerung, der S4 nach Bad Oldesloe und der S21 nach Kaltenkirchen (Ebenda). Sportsenator Michael Neumann (SPD) kündigte an, dass es einen Bürgerentscheid dazu geben würde (Ebenda). Niemand fragt – der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) antwortet. Er ist nunmehr (ausgerechnet!) Gründungsdirektor des “Institute for Advanced Sustainability Studies”. In seiner Festrede zum Thema Nachhaltigkeit (!) beim DOSB-Neujahrsempfang in Frankfurt am Main propagierte Töpfer: “Wagen wir es doch wieder!” und schlug einen recht merkwürdigen Weg vor: “Wenn Sie eine Nachhaltigkeitsdebatte führen, beginnen Sie nicht mit den ökologischen Fragen, sondern mit den sozialen” (Töpfer ermuntert DOSB zu neuer Olympia-Bewerbung, in sueddeutsche.de 23.1.2014). – “Nach dem zweimaligen Scheitern Münchens ist eine deutsche Olympia-Bewerbung nach Ansicht von DOSB-Präsident Alfons Hörmann ‘erstmal durch’” (Hörmann: Mit Olympia-Bewerbung “erstmal durch”, in sueddeutsche.de 17.1.2014). Neueste Idee: eine Doppelbewerbung Hamburgs mit Berlin, die dann umgehend verworfen wurde (Labinski, Anne, Hamburg und Berlin gemeinsam für Olympia? in tagesspiegel.de 21.1.2014; Grünberg, Rainer, Gemeinsames Olympia in Hamburg und Berlin? in welt.de 20.1.2014). Die Bewerbungsfrist für Olympische Sommerspiele 2024 läuft Mitte November 2015 ab.

Februar 2014:
– Olympische Jäger. Zu einer neuerlichen Bewerbung um Olympische Spiele in Deutschland sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann im Januar 2014: “Der nächste Schuss muss sitzen” (Grünberg, Rainer, Gemeinsames Olympia in Hamburg und Berlin, in welt.de 20.1.2014). Und DOSB-Generaldirektor Vesper im Februar 2014: “Der nächste Schuss muss sitzen” (Grünberg, Rainer, “Wir wollen Olympia nach Deutschland holen”, in abendblatt.de 3.2.2014).
Sportsenator Frank Henkel (CDU): „Berlin kann Olympische Spiele. Punkt. Ausrufezeichen. Berlin könnte für neue olympische Bescheidenheit stehen. Es lohnt sich, dieses dicke Brett zu bohren und dazu einen gesellschaftlichen Dialog zu führen” (Vetter, Claus, Teuffel, Friedhard, “Berlin kann Olympia!”, in tagesspiegel.de 4.2.2014).

März 2014:
– Berlin – fast – bereit. Der unermüdliche Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit erklärte, Berlin sei bereit für Olympische Sommerspiele, auch schon 2024. (Hierfür müsste allerdings eine Bewerbung schon im November 2015 beim IOC vorliegen.) Der Sport müsse aber die Entscheidung treffen – und die Bevölkerung die Bewerbung tragen (SID, Berlin bereit für Olympia 2024 – nicht aber um jeden Preis, in handelsblatt.com 12.3.2014).
Und der Berliner Großflughafen?

April 2014:
– DOSB plant Olympische Spiele. Auf der DOSB-Klausurtagung am 3. – 4.4.2014 in St. Johann bei Mainz beschloss das Präsidium des DOSB, Olympische Spiele nach Deutschland zu holen. Das DOSB-Gremium machte klar, “dass das Projekt Olympia nicht eine Frage des Ob, sondern allein des Wann und des Wie sei” (DOSB-Präsidium verabschiedete in seiner Sitzung Grundsatzbeschluss, PM 4.4.2014).
Der Wille des Staates als Haupt-Geldgeber der Olympischen Spiele bleibt hier als Entscheidungsinstanz explizit unerwähnt.
Die vier verlorenen Bürgerentscheide im November 2013 zur Bewerbung München 2022 hätten gezeigt, dass eine olympische Bewerbung kein “Selbstläufer” sei. Deshalb will der DOSB “Vertreter/innen der Zivilgesellschaft sowie aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zu einem kontinuierlichen Dialog über die Zukunft von Sportgroßveranstaltungen in Deutschland einladen” (DOSB, Beschluss auf der 67. Sitzung des DOSB, 4.4.2014). Der DOSB freut sich über das Interesse von Berlin und Hamburg.
Die DOSB-Lobbyisten möchten, dass beide Städte zuerst in einen sehr teuren Wettbewerb für 2024 gegeneinander antreten. Dann soll eine der beiden deutschen Städte für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag (50 bis 60 Millionen Euro wird für die Bewerbung angesetzt) gegen die Bewerberstädte aus anderen Ländern antreten: Diese deutsche Bewerbung wird sich dann schnell im IOC-Sumpf verlieren: zum Beispiel gegen Putins Heimatstadt St. Petersburg, die wahrscheinlich für 2024 antreten wird (da könnte Putin gerade noch nach inzwischen vier Amtsperioden als Präsident eröffnen). Dann nochmal eine deutsche Bewerbung – für 2028 – und erneut verlieren. Und dann ein drittes Mal antreten – weil Pyeongchang auch dreimal angetreten ist, bis es die Olympischen Winterspiele endlich 2018 erhalten hat.
Olympische Sommerspiele sind nicht “besser” als Olympische Winterspiele: Das IOC bleibt zu jeder Zeit das IOC, die olympische Geldmaschine ist sommers wie winters in Gang, und die Gigantomanie wächst mit jeder neuen Bewerbung – für den Sommer wie für den Winter.

– Hamburg 2024 baut vor. Der Hamburger Innen- und Sportsenator Michael Neumann (SPD) treibt Hamburgs mögliche Bewerbung für Olympische Sommerspiele 2022 voran – in Verbund mit DOSB-Präsident Alfons Hörmann. “Bei einem Geheimtreffen in Hamburg hat der DOSB-Präsident dem Sportsenator vorigen Sonntag seine Vorstellungen erläutert” (Lorenz, Markus, Olympia in Hamburg? Bürger sollen entscheiden, in shz.de 18.4.2014; Hervorhebung WZ). Mitte Dezember 2014 entscheidet der DOSB, ob man sich um Sommerspiele 2024 oder 2028 bewerben will.
Das will man natürlich, auch wenn die Bewerbung völlig aussichtslos ist: Das IOC mit dem deutschen Präsidenten Thomas Bach braucht auch deutsche Zählkandidaten, damit Interesse am Milliardenspiel signalisiert wird.

weiter unter: http://www.nolympia.de