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Ação Urgente – Tötungen bei Polizeieinsätzen
Categories: General, Nachrichten

 

arcari

Innerhalb von 20 Tagen sind bei mehreren Einsätzen der Militärpolizei im Stadtteil Acari in Rio de Janeiro mindestens neun Menschen getötet worden. Die Einsätze begannen Bewohner_innen zufolge nach Ende der Fußballweltmeisterschaft.

Zwischen dem 15. Juli und dem 4. August sind in Acari, einer Favela in Rio de Janeiro, neun Menschen bei Einsätzen der Militärpolizei getötet worden. Der jüngste Vorfall passierte am 4. August, als ein etwa 30 Jahre alter Mann, der eine lokale Musik- und Tanzveranstaltung organisiert hatte, zwischen 16 und 17 Uhr sein Haus verließ, um Eis zu kaufen und erschossen wurde. Bewohner_innen von Acari geben an dass die Einsätze der Militärpolizei nach Ende der Fußballweltmeisterschaft zugenommen hätten.

Sie berichten zudem, dass die Einsätze der Polizei fast täglich stattfänden und zum Teil mehr als zwölf Stunden dauerten. Die Einsätze wurden von verschiedenen Einheiten der Militärpolizei ausgeführt, zu denen unter anderem das 41. Bataillon, die Bereitschaftspolizei und die Spezialeinheit BOPE gehörten. In der Regel finden die Polizeieinsätze unangekündigt und zu unterschiedlichen Zeiten (früh morgens, spät in der Nacht) statt. In einigen Fällen werden sie von einem gepanzerten Fahrzeug angeführt, das Caveirão (großer Schädel) genannt wird.

Mehr als 80 Bewohner_innen von Acari berichteten über verschiedene Verstöße der Polizei. Sie geben an, dass die Polizei „Generalschlüssel“ nutze, um ohne Vorwarnung und ohne Durchsuchungsbefehl in Häuser einzudringen, den Besitz der Menschen zu zerstören und Gegenstände und Geld zu stehlen. Bewohner_innen geben zudem an, dass die Polizeibeamt_innen vor allem Frauen beleidigen, die sie als „Schlampen“ (piranha oder vagabunda) beschimpfen, zum Teil zudem tätlich angreifen und oft ins Gesicht schlagen. Durch den vorschnellen oder wahllosen Einsatz von Schusswaffen während der Polizeieinsätze befinden sich alle Bewohner_innen von Acari in Lebensgefahr. Außerdem beeinträchtigen die Einsätze die gesamte Gemeinschaft, da Schulen und Tagesstätten währenddessen geschlossen bleiben. Es gab bereits einige Fälle, in denen Mütter ihre Kinder im Arm hielten und nach einem Zufluchtsort suchten, jedoch keinen fanden.

 

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Gemeindesprecher_innen aus Acari geben an, dass bei Einsätzen der Militärpolizei 2014 bereits 30 Menschen ums Leben gekommen seien. Sie berichten, dass es sich in einigen Fällen um außergerichtliche Hinrichtungen von Menschen gehandelt habe, die sich bereits ergeben hatten. Am frühen Morgen (zwischen 4 und 5 Uhr) des 24. Februar wurde der 31-jährige Rafael Lopes Otoni von Polizeibeamt_innen mit mindestens vier Schüssen getötet. Ein Zeuge gab an, dass der 31-Jährige sich ergeben habe und zu den Polizist_innen sagte: „Ich habe verloren, ich habe verloren“ (Perdi, perdi) und die Arme hob. Ein Polizist soll dann auf ihn zugegangen sein und gesagt haben: „Nein, du hast nicht verloren. Ich will deine Seele!“ (Perdeu nada. Eu quero a tua alma!). Dann erschoss er Rafael Lopes Otoni.

Der Ausdruck „die Seelen“ der Bewohner_innen der Favelas „zu holen“ ist nicht neu. Normalerweise werden Lautsprecher außen an einem Fahrzeugen befestigt, aus denen mit Ausdrücken wie „Wir sind gekommen, um eure Seelen zu holen“ die Ankunft des Caveirão angekündigt wird. Der englischsprachige Amnesty-Bericht We have come to take your souls: the caveirão and policing in Rio de Janeiro (AMR 19/007/2006) behandelt auch den 1. September 2005, als die Spezialeinheit BOPE eine Blitzaktion in Acari durchgeführt hat, die von dem Caveirão angeführt wurde und Terror in der Favela verbreitete. Laut Bewohner_innen der Favela wurde ein 17-Jähriger während des Einsatzes durch einen Kopfschuss getötet. Sein Leichnam wurde anschließend an einem Haken am Caveirão befestigt und durch die Favela gefahren. Die Verantwortlichen forderten Geld im Tausch gegen den leblosen Körper. Am selben Tag wurde eine 46-jährige Frau ebenfalls erschossen. Während eines Treffen mit Amnesty International und anderen Menschenrechtsorganisationen sagte eine Frau aus Acari: „Wir wollen einfach keine Mütter mehr weinen sehen. Wir haben es satt, Mütter weinen zu sehen.“ (A gente só não quer mais ver nenhuma mãe chorando. A gente tá cansado de ver mãe chorar.)

Acari war außerdem Schauplatz eines schrecklichen Verbrechens, aufgrund dessen die Bewegung Mütter aus Acari gegründet wurde (Mães de Acari). Am 26. Juli 1990 wurden elf Jungen aus Acari entführt und verschleppt. Ihre Leichen sind nie gefunden worden. Die Gruppe der Mütter wurde mobilisiert, um Gerechtigkeit zu fordern. Eine der Mütter, Edméia da Silva, wurde am 20. Juli 1993 getötet, mutmaßlich als Vergeltungsmaßnahme.

 

Quelle: amnesty international

 

 

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